Es war zwar körperlich anstrengend, dauerte aber viel kürzer als die ganzen vorherigen Vorbereitungen. Der Stoff lag zusammengefaltet im Nähkorb, die Kanne war wieder leer und ein Mittagessen belohnte die fleißigen Frauen für ihre Mühe mit leckerem Geschmack und schönen Gesprächen. Auf dem Rückweg sah sie ein rotes Eichhörnchen, das flink über einen Buchen-Baumstamm kletterte, und freute sich. Sie mochte Eichhörnchen, weil sie so hübsch, schnell und fleißig sind. „Hallo, du liebes Eichhörnchen! Ich war heute auch fleißig, Kollege!“, sagte Lita und lachte, weil sie einen schönen Einfall hatte: „Genau, jetzt werde ich auch den Baum hochklettern! Und zwar in einem Rock. Mich sieht hier doch kein Mensch.“ Sie stellte die Schatulle mit ihrem Schatz (ihrem zukünftigen Kleid) auf dem Moos am Baumstamm ab und nutzte die Zweige, um hochzusteigen. Es klappte erstaunlich gut, nur einmal wickelte sich der Saum ihres Rockes um einen Zweig herum. Lita merkte, dass jemand (das war eine Buche!) sie am Rock zieht und befreite sich. Sie stand an einem dicken Ast und hielt sich an einem anderen fest. Der leichte Wind wehte in ihren Rock und Lita lächelte: „Ich bin jetzt wie ein Segel. Ein Segel, das Glück fängt. Danke Dir, Eichhörnchen!“. „Schönen guten Morgen!“, sang Lita den Vögeln da draußen entgegen, kaum dass sie die Augen aufmachte. „Ich werde heute mein Kleid nähen!“, sprang Lita voller Vorfreude aus dem Bett und tanzte, während sie das Bett machte. Die Oma Hilde freute sich beim Frühstück, dass ihre Enkelin so gut drauf ist und machte sie mit ihrem Geschenk noch glücklicher. Am Abend zuvor holte sie aus ihrer Kommode nämlich ein Kleid heraus, was sie noch als Fräulein trug – darin lernte sie sogar ihren Mann kennen. Oma Hilde bewahrte dieses blumig-gemusterte Leinenkleid all die Jahre auf und heute Morgen schenkte sie es ihrer Enkelin. Es passte Lita perfekt! Oma Hilde war zu Tränen gerührt, sie sah auch die Freude ihrer Enkelin. Die beiden umarmten sich und Lita konnte die schönen Momente, die ihre Großmutter in diesem Kleid erlebt hatte, förmlich mit ihrer Haut spüren. Lita wischte mit dem Rist ihre Tränen fort, bedankte sich nochmal bei der Großmutter und lief zu den zwei Schwester-Birken. „Liebe Waldgeister in Vogelgestalt, bitte zeigt mir den Weg in den Wald!“, streute Lita die Körner auf den Waldboden und hatte das Gefühl, diesen Spruch seit Jahren zu kennen und zu sagen, es vergangen aber nicht mal drei Wochen. Die Zeit verdichtete sich, um all das, was Lita bereits erfuhr, fassen zu können. Was erwartete sie noch?